Beitrag Ergänzt 02/2017
Es gibt Städte, die vermeidet man, wenn es geht (in dieser Klammer stand ein mit „H“ beginnendes Beispiel, das ich wieder gestrichen habe. Es war nicht Hamburg). Und es gibt Städte, bei denen man immer den Eindruck hat, man käme nach Hause. London! Seit etwas über einem Jahr darf ich diese wunderbare Stadt regelmäßig besuchen, um dort zu arbeiten. Das ist das Beste, was dir passieren kann, wenn du eine Stadt etwas näher kennen lernen möchtest. Es nimmt den Druck von der Leitung. Man muss nicht 5 Museen und 3 Märkte an einem Tag einplanen und kann sich nach dem Rhythmus der Stadt richten, einfach mitschwingen, statt die Metropole in deinen Stundenplan zu zwängen. Morgens in der überfüllten City Line (bzw. „Sauna Line“) in die Arbeit pendeln und abends ins Konzert, oder ins Theater, oder in den Pub.
Was macht dieses London aus? Der Nebel? Die Gründerzeit-Architektur, die sich so beiläufig ins Stadtbild integriert, wie in Rom die antiken Ruinen? Die endemischen Telefonzellen, Taxis und Busse? Die Musik-, Musical- und Theaterszene? Sicher – auch das. Aber an erster Stelle kommt der Londoner. Einerseits – wie alle Hauptstädter – im gesamten Land als total durchgeknallt verschrien, andererseits weltoffen (mit einem muslimischen Bürgermeister und gegen den Brexit). In jedem Fall aber british as can be. Höflich und diszipliniert (du musst nur in die Nähe eines Zebrastreifens kommen und jeder Autofahrer bremst sofort) und gleichzeitig herrlich insubordinativ (auch in Nähe eines Polizisten käme niemand auf die Idee, an einer roten Fußgängerampel stehen zu bleiben, wenn kein Auto kommt). In London einen gebürtigen Londoner zu finden ist übrigens ähnlich schwer, wie in München einen gebürtigen Münchner. „Der Londoner“ – das ist eine bunte und gut funktionierende Mischung sämtlicher Hautfarben (mind? The Empire!).
Der Londoner ist belesen. Beim Eingang zur Underground schnappt er sich beiläufig die kostenlose Zeitschrift oder Zeitung, die ihm der Paper Boy reicht, und egal, wie voll der Zug ist, wird die dann während der Fahrt konsumiert.
Der Londoner hat Kondition, weil er zur Fortbewegung die Tube benutzt und sich deswegen den Stepper im Fitnesscenter sparen kann. Rolltreppen gibt es zwar, aber jeder Bahnsteig ist nur über 20-30 Treppenstufen zu erreichen (ein Horror für Rollstuhlfahrer). Bei der Nutzung aufwärts führender Rolltreppen ist übrigens streng darauf zu achten, dass man nur rechts steht. Links ziehen die durchtrainierteren ÖPNV-Nutzer an dir vorbei. Es gab letztens einen Aufschrei der Empörung, als Transport for London testweise an einigen Rolltreppen das beidseitige Stehen einführen wollte.
Der Londoner hat auch dann Kondition, wenn er die U-Bahn aufgrund der dort herrschenden tropischen Temperaturen und der zu Stoßzeiten gerne einmal überfüllten Züge vermeidet. Von den vorherrschenden Tiefdruckgebieten vollkommen unbeeindruckt sind im Berufsverkehr große Pulks spärlich bekleideter Radfahrer unterwegs. Die Stadt hat reagiert und einige Hauptverkehrsstraßen zu Bicycle-Highways umgebaut. London ist in den vergangenen Jahren zur Fahrrad-Stadt geworden (und auch für jeden Touristen bestens mit dem Bike erschließbar).
Überhaupt: Dem ÖPNV-Betreiber ‚Transport for London‘ würde ich gerne den Passagierfreundlichkeitsorden am Band verleihen. Man muss nicht stundenlang verwirrt auf Landkarten mit Tarifgebieten starren und sich mit kryptisch programmierten Ticket-Automaten herumschlagen, sondern hält seine contactless-Kreditkarte an das Drehkreuz und der günstigste Tarif wird abgebucht. Züge fahren im 2-3 Minuten-Takt. Bei dem Gedanken, 20 Minuten auf eine S-Bahn warten zu müssen, entgleisen dem Londoner die Gesichtszüge. Ausgeschildert sind Himmelsrichtungen – du fährst Northbound nach Norden und Southbound nach Süden und musst nicht auf dem Netzplan die Endhaltestellen suchen. Auf den wichtigsten Strecken gibt es am Wochenende einen 24h-Service.
Teil des ÖPNV ist ein dichtes Netz an Santander-Bike-Stations. Für 2£/Tag kannst du dir mit deiner Kreditkarte an jeder beliebigen Station ein Fahrrad mieten, 30 Minuten fahren, und es dann an einer anderen Station wieder abstellen. Wenn du das Rad länger als 30 Minuten nutzt, wird eine zusätzliche Gebühr fällig, üblicherweise reicht der Halbstunden-Slot jedoch wunderbar, um vom Museum zum Pub oder vom Theater zum Hotel zu kommen. Stationen gibt es wirklich überall westlich von Greenwich und östlich von Hammersmith. Das Rad ist auch für jeden Touristen wirklich ein tolles Fortbewegungsmittel, um sich die Stadt zu erschließen. Man sollte allerdings besser die Sache mit dem Linksverkehr verinnerlicht haben.
Bei meinen Aufenthalten habe ich ganz bewusst immer wieder einmal Unterkünfte in ganz unterschiedlichen Bezirken gebucht, um die unterschiedlichen Ecken der Stadt besser kennen zu lernen. Hängen geblieben bin ich südlich der Themse. Heute buche ich ganz gezielt in Southwark und Lambeth (mein Stamm-B&B liegt direkt neben der Kennington Station). Historisch lag der eigentliche Stadtkern nördlich der Themse zwischen Parliament und Tower, südlich des Flusses lag eine mehr oder minder rechtsfreie Zone. Hier wohnten Huren, Henker und sonstige subversive Elemente, die der brave Bürger nicht in seiner Nähe haben wollte. Auch wenn diese südlichen Boroughs mit der Olympiade, London Wheel, Shard und Jubilee Line einen ziemlichen Gentrifizierungs-Schub bekommen haben, sind sie mit ihren vollkommen untouristischen Ecken, Spätis und netten Pubs immer noch etwas archaischer, bunter und alternativer, als Soho, Westend & Co.
Links, punkig und hip war vor 10-20 Jahren auch noch das im Norden gelegene Camden, quasi das Londoner Kreuzberg. Die ehemalige Geburtsstätte des Punk ist immer noch Anziehungspunkt für Backpacker, die auf der Suche nach dem London der 80er Jahre sind, sich heute aber im Wesentlichen selber feiern. Mittlerweile findet man in Camden nur noch den ramschigen Camden Market und diverse Läden, die billige Lederimitate, Touristennepp und Junkfood verkaufen. Auf der Straße „schenken“ dir abgebrannte Musiker CDs mit selbst aufgenommener Musik, um dann nachdrücklich um eine kleine oder große Spende zu bitten. Camden könnt ihr beruhigt links liegen lassen – außer, es spielt abends eine interessante Band im Roundhouse. Tolle Location! Ein altes Bahngebäude aus dem 19. Jahrhundert, in dem Züge umgedreht wurden) , in der Underworld oder einer der anderen unzähligen immer noch guten Venues. Nur 5 Minuten entfernt von der Camden Town Tube Station liegt der Regent Park, eine wunderschöne Grünanlage und eine der teuersten Ecken Londons. Der Übergang from rag to riches ist – wie an vielen anderen Stellen der Stadt – fließend.
Momentan verlagert sich die Szene wohl nach Clapham, das liegt noch unterhalb von Southwark und Kennington und ist für die meisten Londoner quasi schon wilder Süden. Ich war leider noch nicht da (obwohl das von meiner Homebase Kennington aus nur 2 Tube-Stationen sind), aber es steht ganz oben auf meiner Liste. Allem voran Frank’s Café, eine Rooftop-Bar auf dem Dach eines alten Parkhauses. Aber auch die Clapham Craft Brewery oder das No32 The Old Town sehen sehr interessant aus. Ist ja schön, wenn man noch was auf der Liste hat.
The Pubs
The Dog House
Meine zweite Heimat. Hier werde ich mit Namen begrüßt, wenn ich reinkomme und mein London Stout steht auf dem Tresen, bevor ich sitze. Ein toller etwas alternativ angehauchter Pub mit toller Bierauswahl, netten Leuten und vor allem wahnsinnig gutem Essen. Im Dog House bekommst Du perfekt angerichtete dry aged Steaks vom Bio-Metzger, Pulled Pork, hausgemachte Pommes mit Rosmarinsalz, Lammrücken etc. etc. – und das alles zu (für Londoner Verhältnisse) sehr bezahlbaren Preisen. Nach mehreren Besuchen habe ich mal den Chef(koch) Andy angesprochen, der die Küche vor etwa einem Jahr übernommen hat. Er baut im Keller sein eigenes organisches Gemüse an, kauft nur bei lokalen Händlern und legt höchsten Wert auf Qualität. Und er kocht mit wahnsinnig viel Liebe. Hingehen!
Nachtrag (11/16): Andy hat seinen Traum verwirklicht und ein Steakhaus (in Clapham) aufgemacht, sein Souschef hat übernommen, der hält aber die Qualität. Aktuell haben sie auch profanes Guinness, an Stelle von London Stout. Der Pub ist trotzdem toll.
Nachtrag2 (02/17): Die Karte ist jetzt eher eine Burger Karte. Essen ist immer noch gut, aber eher Pub Food. Schade!
The Black Dog
Ein netter kleiner Pub, ebenfalls mit recht guter Küche und einem kleinen Biergarten, direkt um die Ecke vom Vauxhall Pleasure Garden
The Blackfriar
Benannt nach einem Dominikanischen Orden, der dort im 13. Jahrhundert angesiedelt war, gebaut ca. 1875 und in einem skurrilen Eck-Gebäude untergebracht, dessen Abriss vom Dichter Sir John Betjeman verhindert wurde. Wenn der Blackfriar kein Pub wäre, wäre er ein Museum. Der ideale Ort, um mit einem Pint in der Hand die Lord Mayor Parade zu verfolgen.
The Punch Tavern
An der einstigen Verlags-Hochburg, der Fleet
Street gelegen, hat sich dieser Pub auf Gin spezialisiert. Es gibt im Winter Gin-Punch (nomen est omen), und ganzjährig eine gigantische Auswahl der exotischsten Sorten. Der Barkeeper berät gerne fachkundig und als Filler verwendet man natürlich Fever Tree. Wer traditionelle englische Pies mag: Die sind hier ganz hervorragend. Allerdings weiß man nie wirklich, wann dieser Pub schließt. Uns haben sie schon mal um 22 Uhr rausgeworfen, weil nichts mehr los war.
The Ye Old Mitre
Liegt am Rande des heutigen (wenig spannenden) Finanzbezirks, ist wohl das älteste Pub Londons und du findest es nur, wenn du es aktiv suchst. Versteckt zwischen zwei modernen Hochhäusern, erreichbar nur über einen tunnelartigen Durchgang, steht in einer Art Innenhof ein altes Fachwerkhaus, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Alte Männer lesen bei einem Pint im Tweedanzug ihre Zeitung. Der Craftbier-Wahnsinn ist am Ye Old Mitre vorbeigegangen. Hier trinkt man seit über einem halben Jahrtausend (!) sein traditionell warmes und schaumloses Ale: “Built in 1546 for the servants of the Bishops of Ely, The Ye Olde Mitre is famous for having a cherry tree, (now supporting the front) that Queen Elizabeth once danced around with Sir Christopher Hatton. The pub was actually a part of Cambridge (Ely being in Cambridge) and the licencees used to have to go there for their licence. Set in a part of London steeped in history, it’s near where William Wallace was hung, drawn and quartered at Smithfield, along with martyers and traitors who were also killed nearby.”
Brew Dog
Genau das Gegenteil vom Ye Old Mitre. Ein crowdfunding Brauerei-Startup, das sich prächtig entwickelt hat, eine junge Hipster Crowd bedient und mittlerweile mehrere Pubs in London sein eigen nennt. Ich war in den BrewDogs in Soho und in Shepherd’s Bush. Besser gefallen hat mir das letztere, das liegt sicherlich am etwas hipperen Bezirk und der entsprechend hipperen Crowd dort. Das Bier ist teuer, aber gut.
The Brown Derby
Das Interieur erinnert ein wenig an die 20er Jahre, es gibt eine D-Jane, die Dub-Sachen spielt, es gibt Meantime vom Fass und es ist sehr bezahlbar. Direkt an der Station Oval. Funfact: Es gibt kein Beefeater, sondern Hendricks und so. Auf meine Frage, warum das denn so sei, wo doch die Beefeater Destille direkt nebenan sei, lautete die Antwort: „deswegen“.
The Green Note
Da war ich selbst noch nicht, aber es ist eine Empfehlung einer guten Freundin, die folgendes dazu schrieb: „Wäre das Haus von Weasleys ein Pub, dann dieser, alles ist ein bißchen windschief, ein bißchen abgewetzt, ein bißchen zu klein, aber sehr gemütlich. Von Time Out zum Live Music Venue 2015 gewählt worden, also nicht mehr ganz so ein Geheimtipp, aber kein Hipstertreff. Londons Musiker haben das Ding wohl mehr oder minder besetzt, da passen keine Hipster mehr rein. Als ich da war habe ich gelernt, wie sich ein Cowboy in einer fremden Stadt beim Betreten eines Saloons gefühlt haben muss, ich habe die klirrenden Sporen an meinen Füßen vermißt, aber sonst… In dem Ding kannte an dem Abend offenbar jeder jeden, aber man kommt über den einen oder anderen Drink ja schnell ins Gespräch. Musiktechnisch gibt es Folk, Country, Blues, Jazz oder was Singer/Songwritern gerade so einfällt. Neben mir an der Bar standen unter anderem eine Backgroundsängerin von Tina Turner, der Keyboarder und Musical Director von Paul McCartney und der Sohn von Sean Connery. Sollte also jemand in Londons Künstlerszene netzwerken oder sich beim Jammen mal so richtig scheiße fühlen wollen: Hier“
Off the beaten tracks
Crossbones Garden
Ein versteckter Friedhof aus dem späten Mittelalter. Südlich der Themse, in Southwark gelegen, wurden hier all diejenigen begraben, die ein nicht so bürgerliches Leben führten, darunter viele Prostituierte. Der Friedhof wurde Mitte des 19. Jahrhunderts wegen Überfüllung geschlossen und geriet dann in Vergessenheit. Ein Lost Place, der erst vor einigen Jahren wiederentdeckt wurde, als sich Widerstand gegen Bebauungspläne bildete. Heute auch eine Gedenkstätte für ermordete Prostituierte, für die viele Kerzen aufgestellt und kleine Gedenkbilder an den Toren angebracht wurden. Auf jeden Fall einen Besuch wert.
Borough Market
Ein absolutes “Must see” oder besser “Must Eat“ in London ist der Borough Market. Hier tobt das Leben, gemeinsam mit der Markthalle in Barcelona einer der schönsten Märkte, die ich kenne. Vom hausgemachten Jamaican Jerk Spice, das die dicke Kreolenmama dich am Stand kosten lässt, über deutsches Schwarzbrot bis zum Stand mit Fasanen, Hasen und Wildschweinen bekommt man hier alles, was das Herz begehrt. Mein Lieblingsstand ist der vom Käseladen Kappacasein, an dem es die göttlichsten Grilled Cheese Sandwiches gibt, die ich je in meinem Leben aß. Wenn man aus der London Bridge-Station kommt, gleich links in der Wand. Die Käserei von Kappacasein ist übrigens nicht weit entfernt und kann Samstag Vormittag besucht werden.
Smithfield Market
Smithfield ist kein Markt zum Bummeln, sondern der alte Fleisch-Großmarkt von London und das historische Zentrum des Fleischhandels für das gesamte United Kingdom. Sehenswert weniger als Markt, sondern in erster Linie aufgrund seiner wunderbaren victorianischen Architektur. Wenn man alle Fotos vom Markt und den roten Telefonzellen, die es dort noch im Überfluss gibt, im Kasten hat, kann man im benachbarten Fox&Anchor noch einen Pint trinken.
Law Court
Erinnert ihr euch noch an John Cleese in Ein Fisch namens Wanda? Vergleichbaren Damen und (überwiegend) Herren in langen schwarzen Roben und weißen Perücken begegnet ihr im Überfluss, wenn ihr einfach mal über den Law Court schlendert. Es gibt keine Möglichkeit, die Gebäude zu besichtigen (außer ihr habt vorher versucht, in den Tower einzubrechen), aber die Stimmung ist interessant und die Architektur ist beeindruckend. Danach könnt ihr auf einen Pint Ins Ye Olde Mitre, das liegt nicht weit entfernt.
Vauxhall Green
Nicht so beeindruckend, wie der Hyde Park. Nicht so berühmte Anwohner, wie Green Park und St. Jamses Park. Einfach nur ein netter kleiner Park mit einem sehr schönen Tea House, in dem es organische Tees und selbstgemachte Kuchen gibt. Direkt an einer Santander Bike Station, also ein schöner Stopp für eine Radtour durch London. Nebenan liegt der Black Dog Pub, falls der Sinn eher nach Burger&Beer als nach Tea&Cake steht. Ich bin übrigens im Vauxhall Green durch Zufall gelandet, weil hier im Park im Herbst Theateraufführungen stattfinden. Die Stimmung war klasse und das Feuerwerk war umwerfend.
Templar Church
Hier bin ich auch zufällig gelandet. An einem ungemütlichen Dezemberabend gab es den winzig kleinen Hinweis im Timeout, dass in der Templar Church ein Adventskonzert des London Community Gospel Choire stattfindet. Das Konzert war sehr schön, was mich aber wirklich überrascht hat, war die Kirche. Sämtliche Insignien der Templer, die man als alter Assassins Creed Gamer so kennt, sind im Überfluss vorhanden, die Kanzel steht in der Mitte des Kirchenschiffs und die Bänke auf beiden Seiten des Schiffs stehen einander gegenüber. Ich würde einen Besuch empfehlen
Beefeater Distillery
London ist die Welthauptstadt des Gin. Hier wurde das Zeug erfunden, gebrannt, ausgeschenkt und konsumiert. Die Geschichte des Gin ist untrennbar mit der Geschichte Londons verbunden – bis hin zu Gin-Gesetzen und Gin-Steuern, die zu Volksaufständen geführt haben. Heute werden die teuersten Gins im Schwarzwald oder in Asien produziert. In London selbst gibt es nur noch zwei wirkliche Traditions-Destillerien: Gordons in Clerkenwell und Beefeater in Kennington. Durch die Beefeater Destillery gibt es Führungen. Sehr interessant ist das kleine Gin-Museum, das die Gin-Geschichte Londons erzählt. Online buchen und hingehen!
The Distillery
Gerade erst im Dezember 2016 eröffnete dieses Hotel mit angeschlossener Distillerie. Also diese Distille mit Übernachtungsmöglichkeit. Bzw. dieses Restaurant mit Gin-Bar und Zimmern und einer Distillierie. Also The Distillery. Home of the nice Portobello Road Gin (gegenüber vom Joe Strummer Mural). Wir haben hier die Gin Experience mitgemacht. Nach einem Geschichtskurs in Sachen Gin lernt man die Botanicals näher kennen und stellt dann seinen eigenen Gin her (for the records: Mein ‚Gin The Mood‘ enthält neben der Standardbasis – 40% Juniper, 10% Coriander, 3% Orris, 3% Angelica – Cardamom, Pink Pepper, Cubeb, Bitter Orange, Pink Grapefruit und Lemon). Man kommt hier auf keinen Fall nüchtern raus, denn neben 3 Gin Tonic, einem Tom Collins und einem Martini verkostet man noch diverse Destillate sowie alle von ellen im Kurs hergestellten Gins. Cheers!
Meantime Brewery
Im aktuell herrschenden Craftbeer-Wahnsinn haben sich in London zwei Marken besonders gut etabliert: BrewDog (eine schottische Brauerei) und Meantime, mit Sitz auf dem Null-Meridian in Greenwich (daher auch der Name). Meantime wurde von einem in Weihenstefan ausgebildeten Braumeister gegründet und produziert sein Bier auf soliden deutschen Caspary-Anlagen. Ziemlich gutes Bier übrigens. Die eigentliche Sehenswürdigkeit der Brauereibesichtigung ist der (auch in allen Werbevideos auftauchende) dicke Tour-Guide, dessen breites Cockney selbst die teilnehmenden Engländer kaum verstanden haben und auf dessen Zwirbelbart jeder eingefleischte Wähler der Bayernpartei neidisch wäre. Online buchen und hingehen!
Die Denmark Street
Alle rennen auf die Abbey Road, um ein Zebrastreifen-Selfie zu machen, aber kaum einer hat die Denmark Street im Blick. Hatte ich, um ehrlich zu sein, auch nicht. Aber sie lag auf meinem täglichen Arbeitsweg und so bin ich eher zufällig auf dieses mitten im Westend gelegene kleine Juwel der Musikgeschichte gestoßen. Es gibt entlang dieser nur etwa 200-300 Meter langen Straße ausschließlich Musik-Geschäfte (darunter sehr viele Gitarren, Musiknoten, Zubehör, Verstärker etc.) und in den Kellern Studios und Live-Musik Clubs. Hier saßen und sitzen auch einige der bedeutendsten Produzenten Englands.
Platform 9 ¾
Eines Morgens am Bahnhof stand ich auf dem Weg zu meinem Gleis 10 plötzlich erstaunt vor dem Gleis 9 ¾ – mir war gar nicht klar, dass der Zug nach Hogwarts hier in Kings Cross abfuhr. Es gibt dort eine Ecke (allerdings nicht zwischen Gleisen 9 und 10), an der man mit einem Gepäckwagen, der halb in der Wand verschwindet, Fotos machen kann.
Andy & Tuly ltd, 74 Charing Cross Road
Ich habe noch nie so viele Manschettenknöpfe auf einem Haufen gesehen. In dem Laden gibt es jedes erdenkliche Objekt – vom Fußballvereinslogo über Batman bis zum Nasenbären – als Manschettenknopf. Alles so um die £30-40. Selbst wenn man keine Manschettenknöpfe trägt, definitiv einen Besuch wert.
Walking Tours
Wenn man London besser kennen lernen will, macht man am Besten eine der vielen angebotenen Walking Tours. Wir haben bislang zwei davon gemacht und beide waren mordsmäßig gut!
Die Soho Punk Tour mit Aiden McMillan startet Tottenham Court Road und führt quer durch Soho und Westend. Aidan weiß alles, kennt jeden und Höhepunkt unserer Tour war eindeutig, dass wir mal eben in Glen Matlock – Gründungsmitglied der Sex Pistols – gerannt sind und so ein „Meet and Greet“ vor einem der alten Punkclubs hatten.
Die Streetart London Tour mit Maria Domenica war auch toll. Maria hat einen PHD in Street Art, hat für Mobstr Ausstellungen organisiert und wusste zu jedem Mural etwas zu erzählen. Die Tour startet an der Old Street Station und führt quer durch Shoredtich. Auch ganz unbedingt empfehlenswert, man sieht das Viertel danach mit komplett anderen Augen.
Shaken, not stirred
Wem der Sinn nach einem gut gemixten Cocktail steht, der ist in London allerbestens aufgehoben. Gemeinsam mit New York streitet sich London jährlich um die beste Cocktailbar der Welt. Mein Tipp hier wäre das Nightjar (5 Minuten von Old Street Station). Eine Zeitreise in die Speakeasies der 20er Jahre – vom Mobiliar bis hin zur Jazzband ein Erlebnis. Jeden Abend gibt es auf einer kleinen Bühne Live-Musik, die zum Ambiente passt. Besser vorher reservieren, ist recht gefragt.
Wer sich die £20 für’s London Eye sparen will, dem sei das Vertigo42 empfohlen. Das liegt im obersten Stockewrk des Tower 42 – eines der höchsten Hochhäuser Londons – und fast auf der gleichen Höhe, wie das London Eye. Die Bar bietet einen spektakulären Blick über die Stadt und man kann das gesparte Geld (kein Eintritt!) in ein Gläschen Schampus investieren. Geht nur mit Reservierung (wegen der Sicherheitsschleusen des Büroturms).
The world’s a stage
Damit nicht der Eindruck entsteht, die einzige Kultur, für die ich mich interessiere, sei die Hefekultur, hier noch einige Tips, die in jedem Touristenführer stehen. Ich nehme die nachfolgenden Bühnen und Museen hier auf, weil sie mir besonders gut gefallen haben.
Das Hammersmith
Früher das Hammersmith Apollo, dann Hammersmith Odeon und O2 Hammersmith, jetzt heißt es Eventim Apollo. Die europäische Konzerthalle schlechthin. The Clash mit ‚White Man in Hammersmith Palais‘, Motörhead mit ihrem Live Album ‚No sleep til Hammersmith‘, David Bowies letzter Auftritt als Ziggy Stardust, oder Neil Young, der während des Konzerts Teile der Bühne in Brand setzte. Die Zahl der Legenden, die hier aufgetreten sind, ist unendlich. Neben Wimbledon und Wembley die dritte große Kathedrale Londons und auf jeden Fall einen Besuch wert.
Club 100
Der älteste Musikclub Londons. 1946 gegründet. Hier haben von Glen Miller über die Stones bis hin zu den Pistols ALLE gespielt. Winziger Laden, kleiner als das SO36, aber alleine schon wegen der Athmo den Besuch wert. Ich habe hier die Sharks-Reunion gesehen und die waren auch sichtlich beeindruckt von dem Laden.
Donmar Warehouse
Ein sehr kleines und immer sehr ausverkauftes Theater, das große Schauspieler in Serienproduktion hervorbringt. Die kommen dann, wenn sie einmal berühmt sind, gerne mal wieder zurück und treten im Donmar auf. Auch wenn es online ausverkauft ist – einfach mal hingehen. Es gibt Stehplatzkarten für lächerliche £5 und die Inszenierungen sind meistens ganz hervorragend.
Shakespeare Globe
Wer einmal Theater erleben will, wie zu Shakespeares Zeiten, oder wie Arya Starck, der kaufe sich eine Stehplatzkarte (auch hier £5) und hoffe darauf, dass es nicht regnet.
Tate Modern
Über die tate muss ich nicht viel schreiben, das steht alles in den Guides. Nur so viel: Die Architektur (altes Heizkraftwerk) ist super beeindruckend. Die kostenlos zugängliche Dauer-Ausstellung ist toll. Die Gast-Ausstellungen sind regelmäßig der absolute Hammer. Und: Vom Balkon des Cafés im obersten Stockwerk hat man einen ganz wunderbaren Blick über London.
Victoria&Albert
So eine Art Kolonialwarenladen. Kunst im Handwerk. Ich fand den Bau mit dem großen Innenhof nett, als ich vor 2-3 Jahren hierher kam, um mir die große David Bowie Ausstellung anzusehen. Fragt mich nicht über die Exponate aus, die habe ich nicht gesehen 😉
London Transport Museum
Ein Kleinod, das ich fand, als ich früher als erwartet aus dem Büro kam und mir noch etwas Zeit in Soho um die Ohren schlagen musste. London Transport ist einer der ältesten ÖPNV-Anbieter. Im frühen 20. JH fuhren Pferdekutschen unter der Erde. Die Zeitreise vom ersten Tunnelbau bis zur heutigen modernen Underground ist definitiv einen Besuch wert
Science Museum
Alleine die riesige Dampfmaschine direkt hinter dem Eingang hatte mich sofort. Ich kam, sah, und schmolz dahin. Ein tolles Wissenschaftsmuseum, das sogar fast mit dem Deutschen Museum mithalten kann!
Cartoon Museum
Das kleinste der hier beschriebenen Museen. Ein ganz kleines, privat betriebenes Comic-Museum mit einigen sehr schönen Lewis Carroll Exponaten. Etwas für Hardcore Comic Fans.
An App a day keeps the worries away
Hier noch einige Links und Apps, die sich für mich als nützlich erwiesen haben:
Timeout ist das Londoner Stadtmagazin und wird kostenlos an den Underground-Stationen verteilt. Sehr lesenswert! Online unter http://www.timeout.com/london findet ihr alle Infos zur Stadt, zu Konzerten, Musicals, Theatern und Events. Gibt es zwar auch als App, aber da muss man dann für den gleichen Content zahlen, also lieber einfach online gehen und nachschlagen.
Citymapper ist eine, nein es ist die allerbeste ÖPNV-App, die euch sagt, wie ihr in London (Hamburg, Berlin, Rom und einigen anderen Städten) am besten und schnellsten von A nach B kommt
Wer mit dem Santander-Bike durch die Stadt radelt, braucht Cycle Hire. Die App zeigt euch, wo die Bike-Stationen sind und wo aktuell wie viele Räder stehen, bzw. wo noch Slots offen sind, um Euer Rad abzustellen (da kann es im Herbst und Winter zu sehr langen Schlangen kommen)
Den nächsten Pub mit gutem Bier findet ihr mit der Cask Finder App, herausgegeben vom Cask Marque Trust, einer Organisation, die besonders gute Pubs mit qualitativ herausragendem Bier auszeichnet
Alle, die nicht ihr Pflichtpensum an Monty Pythons absolviert haben, und sich in die Gehirnwindungen des britischen Humors einarbeiten wollen (und allen, die alles von den Pythons gesehen haben und mehr von dieser Art des Humors suchen) sei der Twitter-Account @SoVeryBritish empfohlen
Should I stay or should I go
London ist teuer. Meine günstigste Unterkunft war ein traumhaftes 1-Zimmer Apartment in Kennington, das mich nur 98€ die Nacht gekostet hat. Vor kurzem hatte ich wieder einmal ein vergleichbar tolles Apartment über AirBnB in Oval. Das ist aber immer Glückssache. Unter £100 findet man kaum eine einigermaßen brauchbare Bleibe, wenn man nicht bereit ist, das Zimmer im Hostel zu teilen.
Hier meine Lieblingshotels/B&B‘s:
Kennington B&B
Nettes kleines B&B direkt an der Kennington Station. Sian, die Vermieterin, ist ein Schatz.
The Tommyfield
Hotel-Pub und Restaurant mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Gäste zahlen im Restaurant nur die Hälfte. Hervorragendes English Breakfast an Wochenenden. Gegenüber liegt das Dog House, mein Lieblingspub in London
Fox And Anchor
Noch ein Hotel-Pub. Einen Tick zu teuer, aber immer noch im machbaren Bereich.
The Mad Hatter
Noch ‘n Hotel-Pub (merkt man, dass ich sowas lieber mag, als normale Hotels?). Leider ist dieses Hotel aktuell eine große Baustelle.
Man zahlt in allen genannten Locations nur zimmerweise und kommt vergleichsweise günstig weg, wenn man zu zweit reist.
Meine persönlichen Highlights in einem guten Jahr London:
- Als ich das erste Mal in meinem Stammpub, dem Doghouse, mit Namen begrüßt wurde
- Das James Taylor Quartet in der Brooklin Bowl. Vorne spielt die Band, hinten wird gebowlt, an der Bar gibt’s Meantime
- Spontanes Gospelkonzert in der Templar Church
- Full english Breakfast mit Black Pudding <3
- Harry Potter im Palace Theatre
- Die Lord Mayor Parade bei strömendem Regen
- Cimbeline im Shakespeare Globe
- 5th of November auf dem Vauxhall Green
- Spontaner Stehplatz für £7,50 One im Donmar Warehouse (one Night In Miami)
- Die Meantime-Brauereibesichtigung (der Guide!)
- Der nachmittägliche Spaziergang durch den Regent’s Park
- Den eigenen Gin in der Distillery mixen
- Die Walking Tours durch Soho und Shoreditch
- Quer durch Kennington bei dickstem Londoner Nebel
Zum Abschlus hier noch meine Google Map mit vielen der oben genannten Locations: