Cluburlaub. The Horror!

Nachdem ich mich jahrelang – ach was: jahrzehntelang erfolgreich dagegen gewehrt habe, hat meine Holde nunmehr einen so fantastischen Freundschaftspreis in einem dieser Clubs ergattert, dass ich nurmehr qualitative, jedoch keinerlei quantitativen Gegenargumente mehr aufbringen konnte, und mich letztlich geschlagen gab. Cluburlaub also. Nach einer sehr (!) relaxten Woche auf einem kleinen Schiff entlang der Türkischen Küste (ich kann Schiff und Kapitän nur wärmstens empfehlen und gebe gerne die Kontaktdaten weiter) landeten wir also schlussendlich im Robinson Club Sarigerme.

Meine festgefahrenen Vorurteile: In Clubs gehen dir gutgelaunte Ronald Mac Donalds so lange auf die Nüsse, bis du dir entnervt eine Poolnudel schnappst und die Aquagymnastik mitmachst. Um es vorwegzunehmen: Das war nicht der Fall. Es war nicht so schlimm, sondern anders schlimm.
So ein Club ist ein kleines Stück Deutschland in der großen weiten Welt. Man spricht Deutsch, trinkt deutsch und verhält sich deutsch. So werden bspw. die ersten Handtücher gegen 06 Uhr morgens ausgeworfen – ab 07:30 ist der Strand mit TUI-blauem Frottee gepflastert.
Der typische Cluburlauber sucht sich das Urlaubsziel nicht nach der Attraktivität des bereisten Landes aus, sondern nach dem Sportangebot seines Clubs – oft weiß er nach 2-3 Tagen gar nicht mehr, in welchem Land er sich eigentlich befindet, weil er ausschließlich in Clubs Urlaub macht, und die sehen ja alle gleich aus. Gewiefte Clubberer können allerdings aus den Namensschildchen des einheimischen Putz- und Buffetpersonals immerhin Rückschlüsse auf den Kontinent ziehen, auf dem sie sich gerade befinden.

In „unserem“ Club gab es zweierlei Besucherkategorien:

1.: Die Älteren: Die Älteren waren so zwischen 40 und 70 Jahre alt. Die Männer überwiegend Chefarzt, Steuer- oder Unternehmensberater. Golf und Tennis. Oder Katamaran. Die Frauen jeweils die Ehefrauen der Männer (bei sehr großem Altersunterschied vermutlich Sprechstundenhilfe oder Assistenzkraft).

2.: Die Jüngeren: Extrem durchtrainierte, gutaussehende, smarte Männer in Begleitung von Top-Models in Stringtangas oder Fitnesstrainerinnen in Hot Pants. Der bloße Anblick ließ mich verschämt den Blick auf meine Wampe richten und rot anlaufen. Nicht schön!

Altersunabhängig kleidet der Herr sich durchgängig in unglaublich sympathiegeladene Marken wie Hollister, Camp David, Ralph Lauren oder Abercrombie&Fitch. Wichtig jeweils der aufgestellte Polohemdkragen. Die Marken der von den Ladies getragenen Stringtangas konnte ich ohne Lesebrille leider nicht identifizieren.

Der Cluburlauber fährt in den Club, um im Urlaub keine Sehnsucht nach dem heimischen Fitness-Center aufkommen zu lassen. Unser Club hatte 9 Stockwerke und erinnerte ein wenig an die sozialistischen Prachtbauten entlang der Frankfurter Allee. Neben den Wohnetagen gab es eine „Wellfit-Ebene“, eine „Body und Soul Ebene“, eine „Spa Ebene“, eine „WWF Mudwrestling & Fight Club Ebene“, eine Bogenschießanlage, 20 Tennisplätze, ein riesengroßes Wassersportcenter und eine Poolnudelcorner. Dumm nur, wenn man, wie wir, am falschen Tag anreist und die entsprechenden Einweisungskurse verpasst. Dann darf man nämlich weder am Bogenschießen, noch am Wassersport teilnehmen und muss 2-3 Tage warten, bis der nächste Kurs beginnt. Cluburlaub ist Fitnesstraining bei 40 Grad im Schatten! Und anschließend: Essen!

Das Essen! Die vielen verbrannten Kalorien wollen ja wieder irgendwie zurückkehren. Deswegen kann man im Club den ganzen Tag essen: Frühstück von 7:00-11:00, Mittagessen ab 12:00 im Hauptrestaurant, an der Poolbar und an der Strandbar, dann der Nachmittagssnack, das Abendessen, der Mitternachtssnack. Buffets so groß, dass sie sich am Horizont verlieren. Schade nur, dass das Hauptrestaurant im 4. Stockwerk des Plattenbaus liegt und Charme und Akustik einer Aussegnungshalle hat. Will man in einem der kleineren Restaurants unter freiem Himmel essen, zahlt man zum eh schon happigen All Inclusive-Preis noch einmal um die 25 Euro (pro Person) dazu. Selbst auf die zum Hauptrestaurant gehörige Terrasse kommt man nur, wenn man eine Flasche Wein ordert (und bezahlt), obwohl recht gute Weine im Preis inbegriffen sind.

Überhaupt: „All Inclusive“ ist nur so eine Halbwahrheit. Nicht nur bei den Restaurants zahlt man auf, wenn man es netter haben möchte, auch die morgendliche Radtour wird nur gegen Geld angeboten. Surfboards und Katamarane darf ich zwar kostenlos leihen, aber nur wenn ich einen offiziellen VDWS-Schein vorweisen kann. Falls nicht, muss ich einen Kurs mitmachen, der mich wieder ca. 200 EUR kostet. Fährt einer der „Robins“ vom Wassersportzentrum mit einem aus, so kostet das 30 EUR. Und zwar nicht für den Kat, sondern pro Person! Trainerstunden beim Tennis kosten happig extra. Ein kostenloses Gruppentraining gibt es nicht. Usw. Usw. Nutzt man diese kostenpflichtigen Angebote ausgiebig, kommt schnell noch mal ein vierstelliger Betrag auf den „All Inclusive“ Preis oben drauf.

Ein Bericht über einen Cluburlaub wäre natürlich vollkommen unvollständig ohne eine kurze Bemerkung über das Abendprogramm. Die freundlichen Animateure sind ja alle auch Tänzer, Schauspieler, Sänger und Akrobaten und jeden Abend wird eine Show aufgeführt. Wir waren nur bei einer Show, die war aber erstaunlich gut (angelehnt an Stomp, Blue Man Group & Co). Nach Beendigung der Showtime wird auf dem „Schachbrett“ (die türkische Übersetzung gefiel mir besser: „Dans Pisti“) der Clubtanz vor- bzw. aufgeführt. Den kann man nicht beschreiben. Den muss man gesehen haben. Ich werde das jetzt morgens in der Firma einführen, fürs Wir-Gefühl.

Nach dem Clubtanz ist man dann dem freundlichen sächsischen Chefanimateur Patrik ausgeliefert. Club heißt ja Wir-Gefühl, deswegen ist es absolut nicht vorgesehen, sich der Party zu entziehen und irgendwo nett ein Glas Wein zu trinken, mit den Kids Karten zu spielen oder zu lesen. Vielmehr soll man sich rund um die Tanzpiste scharen, auf der jeden ! verdammten ! Abend ! irgendwann Helene Fischer mit „Atemlos durch die Nacht“ gespielt wurde. Psychoterror!

Fazit: Wer gerne reist, um Land und Leute kennen zu lernen, wer auch einmal mit unvorhergesehenen Geschehnissen umgehen kann und möchte, wer kleine, schnuckelige lokale Restaurants und Cafés kennen lernen möchte, der ist im Club falsch. Wer gerne Sport treibt, isst und jeden Abend Party machen möchte, es dabei schön warm haben will und auf jeden Fall Deutsche Sitten und Tugenden nicht daheim lassen möchte, der ist im Club sicherlich gut aufgehoben.

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