Heute ist Karfreitag. Ich habe soeben ein WebEx Meeting beendet und bearbeite jetzt bis Ostermontag mit meinem Kundenteam auf einem Shared Doc einen Vertragsentwurf (ja, der ist schon eilig – wir haben uns alle nicht darum gerissen, um 08:00 am Rechner zu sitzen). Ich möchte nicht behaupten, dass so etwas vor Corona nicht vorgekommen ist, üblicherweise war es allerdings ein kleiner Kreis von Top-Level Leuten, die so gearbeitet haben.
Nach 2 Wochen Lockdown kontaktieren mich meine Kunden – und zwar auf allen Hierarchieebenen – mehr oder minder 24/7.
Was ist passiert?
Die arbeitstätige Bevölkerung sitzt zu Hause. Das Homeoffice ist am Küchentisch eingerichtet (sprich: Das Laptop steht da und ist online). Die Grenzen zwischen „Jobtime“ und „Private Time“ verschwimmen zunehmend. Niemand steht hinter Dir und schaut Dir über die Schulter, ob Du auch wirklich arbeitest, etwas „Produktives“ tust und ob Du das, was Du machst, auch gut genug machst.
Es ist vollkommen egal, ob Du am Wochentag mit einem Glas Wein auf dem Balkon sitzt, oder am Feiertag arbeitest. Das, was erledigt werden muss, muss in der richtigen Qualität zum richtigen Zeitpunkt erledigt sein. Der Rest ist egal. Man hört auf, zu arbeiten, wenn man merkt, dass man mental unproduktiv wird und macht stattdessen Sport. Man setzt sich mit seiner Aufgabe auch am Abend oder am Wochenende an den Tisch, wenn man gerade eine gute Idee zum Thema hat. Weil man die Freiheit hat, sich seine Arbeit und sein Privatleben zeitlich einzuteilen.
Uns langsam dämmert es einem, dass „Work Life Balance“ nicht bedeutet, dass man „schon“ um 18h das Büro verlässt, um die Kinder noch kurz zu sehen, bevor sie im Bett liegen, sondern dass es auch bedeuten kann, dass man sich seine Zeit freier und sinnvoller einteilt. Dass man ausreichend Freizeit hat und dennoch vielleicht sogar mehr und produktiver arbeitet als jemals zuvor. Und vielleicht sogar noch mehr Spaß an der Arbeit hat, als jemals zuvor.
Viele meiner Kunden – speziell große Unternehmen – haben bislang „Homeoffice“ strikt abgelehnt. Meine Hoffnung ist, dass gerade diese Unternehmen ihre Sicht auf den „produktiven Einsatz der Ressource Mensch“ zukünftig einmal grundsätzlich auf den Prüfstand stellen.
Vielleicht hatte Corona neben all dem Schrecklichen dann auch etwas Gutes.